Dr. med. Karin Kelle-Herfurth

Dr. med. Karin Kelle-Herfurth

Beratende Ärztin und Partnerin für Neue Wege zum gesunden Erfolg - für Menschen und Unternehmen in Transformation.

Health & Business Counseling stärkt Sie, Ihre Gesundheit und Führung bei der Neuausrichtung im digitalen Wandel - in der Prävention, beim beruflichen Wiedereinstieg und Neustart in der Selbstständigkeit.

Anfragen

Schwindel Monate nach dem Schlaganfall: Woher er kommt und was dagegen hilft

Schlaganfall-Spätfolgen können enorm belasten und die Lebensqualität beeinträchtigen. Die meisten denken an offensichtliche körperliche Beeinträchtigungen aufgrund von Lähmungen oder Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion durch Sprachstörungen. Doch auch unsichtbare und für die Außenwelt schwer nachvollziehbare Symptome wie kognitive Probleme und Schwindel können auftreten. Solche Spätfolgen können sich auf das gesamte Befinden und alle Lebensbereiche, den Beruf und Beziehungen auswirken.

Inhalte in diesem Artikel

  1. Krankheitsfolgen verstehen: Den Schwindel einordnen
  2. Diagnostik und Behandlungsstrategien bei Schwindel
  3. Strategien im Umgang mit anhaltendem Schwindel
  4. Tipps zur Vorbereitung auf das ärztliche Gespräch
  5. Weitere Ressourcen der Schlaganfallbegleitung
  6. Mehr Artikel zum Schlaganfall auf meinem Blog

Vorab: Anhaltender oder neu auftretender Schwindel nach einem Schlaganfall gehört ärztlich abgeklärt. Dieser Artikel ersetzt keine individuelle Beurteilung und erfüllt nicht den Anspruch eines tiefergehenden Ratgebers zur Ursachenforschung und Diagnostik. Er bietet einen Überblick über differenzialdiagnostische Aspekte, Behandlungsoptionen und Tipps zur Vorbereitung auf das Arztgespräch. Der Fokus liegt auf Strategien zur Selbstregulation und Reduktion des Schwindels im präventiven Krankheitsmanagement.

Krankheitsfolgen verstehen: Den Schwindel einordnen

“Warum kommt der Schwindel erst 2 Monate nach dem Schlaganfall?” – Diese Frage kam aktuell im digitalen Selbsthilfeforum der Schlaganfallbegleitung für Betroffene und Angehörige auf, wo ich als ärztliche Beraterin und Rehabilitationsmedizinerin regelmäßig Experten-Fragen beantworte.

In diesem Blog-Artikel führe ich neben Fachwissen meine persönlichen Ansichten und Erfahrungswerte weiter aus, woher Schwindel kommen kann, der erst Monate nach dem Schlaganfall auftritt. Ich gehe auf einige Ursachen ein und welche Behandlungsoptionen es von ärztlich-therapeutischer Seite gibt. Danach erfahren Sie, was Sie selbst tun können, um den Schwindel zu reduzieren und besser damit umzugehen.

Warum kommt es nach einem Schlaganfall zu Schwindel?

Schwindel ist ein häufiges Symptom, das sich auch nach einem Schlaganfall entwickeln kann. Neben dem subjektiv unterschiedlichen Gefühl sind damit bei zentralem bzw. zentral-vestibulärem Schwindel meist auch Sprach- oder Gleichgewichtsstörungen und Doppeltsehen verbunden. Es ist ein “Symptomkomplex”.

Schwindel entsteht, wenn an die Gleichgewichtszentrale im Kleinhirn oder Hirnstamm widersprüchliche Informationen von verschiedenen Sinnesorganen gesendet werden und das Gehirn diese nicht adäquat verarbeiten kann, sodass sie “übereinstimmen”. Die Informationen stammen vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr (Vestibularapparat), von den Augen und den Sensoren in Gelenken, Sehnen und Muskeln. Tipp: In diesem Artikel der Schlaganfallbegleitung sind Zusammenhänge auch einfach visualisiert dargestellt.

Besonders häufig tritt Schwindel infolge eines Schlaganfalls im Bereich des Kleinhirns und Hirnstamms auf. Zentrale Hirnläsionen führen wegen der Betroffenheit der Gleichgewichtszentrale oft zu Schwindelformen, die mit einer gestörten Okulomotorik, der muskulär gesteuerten Augenbewegungen und Blickkontrolle, und einer gestörten Haltungsregulation einhergehen.

Umbauprozesse im Gehirn: Eine Erklärung für das verzögerte Auftreten von Schwindel

Hinter Schwindel, der erst Monate nach dem Schlaganfall neu auftritt, können vielfältige Ursachen stecken. Die genaue Ursache lässt sich nicht immer eindeutig ausmachen. Eher spielen Zusammenhänge von mehreren Faktoren eine Rolle, die sich gegenseitig beeinflussen. Es kann auch sein, dass der Schwindel erst im Verlauf wahrgenommen wird, weil in der postakuten Phase schwerwiegendere Symptome und Funktionsstörungen vordergründig waren und die Aufmerksamkeit beanspruchten.

Eine mögliche Erklärung für das verzögerte Auftreten von Schwindel nach einem Schlaganfall könnte mit den Umbauprozessen im Gehirn zusammenhängen. Nach einem Schlaganfall kommt es zu Veränderungen im betroffenen Gehirngewebe, wie Entzündungen, Schwellungen und Umbauprozesse durch die erlittene Schädigung von Strukturen. Diese Veränderungen können auch Funktionen der Gliazellen um die Nervenzellen beeinflussen, die deren Schutz, Nährstoffversorgung und Reparatur unterstützen.

Es ist allerdings auch bekannt, dass die Symptome und Funktionsstörungen aufgrund der Eigenschaften der neuronalen Plastizität des Gehirns oft in gewissem Maße reversibel sind. In den ersten Wochen nach einem Schlaganfall liegt eine Phase erhöhter Neuroplastizität vor, in der die stärksten motorischen Verbesserungen auftreten. Dies kann durch gezielte rehabilitative Behandlungen und sensomotorisches Training in dieser Phase besonders gut gefördert werden.

Dies bedeutet, dass das Gehirn in der Lage ist, sich anzupassen, indem erhaltene Nervenzellen Aufgaben übernehmen und sich neue Verbindungen bilden, um Funktionen zu kompensieren oder wiederherzustellen. Der Schwindel kann sich also auch zurückbilden.

Symbolbild für Schwindel nach Schlaganfall. Ein Mann im mittleren Alter sitzt mit aufgestützten Ellenbogen und hält sich mit beiden Händen den Kopf. Die Umgebung ist mit Bildeffekten verzerrt dargestellt.
Schwindel kann auch erst Monate nach dem Schlaganfall auftreten und anhalten (© Andrey Popov / Canva)

Belastungsabhängige und psychische Faktoren als Schwindelauslöser und Verstärker

Häufig sind Schwindelzustände nach einem Schlaganfall abhängig von der Belastung. Der Schwindel verstärkt sich in Situationen mit mehr körperlicher Aktivität und nimmt bei starker Konzentration zu. Zum Beispiel fällt es dadurch vielen schwer, längere Texte am Stück zu lesen. Die Aufmerksamkeitsspanne ist dann auch vermindert. Das kann sich verbessern mit dem Aufteilen in kürzere Leseabschnitte, wenn Ablenkung reduziert und für ein störungsarmes Umfeld gesorgt wird.

Ebenso können psychische und emotionale Belastungen wie Stress, Unsicherheit, Angst oder Depressionen das Auftreten oder die Schwere des Schwindels beeinflussen. Das kann gleichermaßen für begleitende Symptome wie Kopfschmerzen gelten. Auch hier wirken sich Strukturhilfen und Ruhe positiv aus.

Ursachen für den Schwindel sind demnach komplex bedingt und können von Fall zu Fall unterschiedlich zusammenwirken. Auch in der qualitativen Ausprägung und Intensität, der Dauer des Schwindels und auslösenden bzw. verstärkenden oder unterhaltenden Faktoren gibt es individuell eine große Varianz.

Diagnostik und Behandlungsstrategien bei Schwindel

Um Schwindel nach einem Schlaganfall abzuklären, eine mögliche Ursache zu diagnostizieren und zu behandeln, sollte eine fachärztliche neurologische Vorstellung erfolgen. Hier erfolgt eine umfassende Anamnese und klinisch-körperliche Untersuchung. Zur Differenzierung werden spezifische Funktions- und Provokationstests durchgeführt (z. B. Lagerungsmanöver, Nystagmus-Test mit der Frenzel-Brille), um dem Verdacht auf das Vorliegen einer bestimmten Form des Schwindels oder Auslösern nachzugehen.

Laborchemische Blut-Untersuchungen können unter anderem Mangelerscheinungen, Stoffwechsel- und Hormonstörungen wie einen sekundären Diabetes mellitus ausschließen. An Elektrolyt-Verschiebungen ist bei veränderten Essgewohnheiten auch zu denken, z. B. an einen Natriummangel unter kochsalzarmer Diät zur Blutdruckeinstellung. Anhaltende Blutdruck-Schwankungen und Störungen der hormonellen Regulation müssen nach solch einem Ereignis mitbedacht werden, besonders nach intensivmedizinischer Langzeitbehandlung und Beatmung. Zusätzlich können HNO-ärztliche, Herz- und Gefäßuntersuchungen sowie bildgebende Untersuchungen des Gehirns indiziert sein.

Wachsamkeit und sofortiges Handeln ist erforderlich, wenn Beschwerden akut und schlagartig auftreten: Plötzlicher Schwindel kann auch auf einen Schlaganfall oder Vorboten, eine TIA (transitorisch ischämische Attacke), hinweisen. Dreh- bzw. Schwankschwindel und Gleichgewichtsstörungen treten besonders häufig bei einer Unterversorgung im hinteren Stromgebiet auf, was verbunden sein kann mit Sehstörungen, Doppelbildern, Sprech- und Schluckstörungen, Kopfschmerzen oder anderen unspezifischen Symptomen.

Die Behandlungsoptionen bei Schwindel nach einem Schlaganfall sind je nach individueller Situation unterschiedlich. Sie sind zum einen darauf ausgerichtet, Regenerationsprozesse zu unterstützen sowie die Symptome und die damit verbundene Unsicherheit und Belastung durch Beeinträchtigungen im Alltag zu lindern. Dazu können auch Medikamente mit neuroprotektiver Wirkung und zur Kontrolle des Schwindels zum Einsatz kommen. Zum anderen und wichtig(er) zur Wiedererlangung der Selbstkontrolle, Sicherheit bei alltäglichen Aktivitäten und Sturzprophylaxe hat das vestibuläre Training mit physiotherapeutischen und ergotherapeutischen Übungsbehandlungen hohe Priorität. Eine Auswahl an Übungen und Material zu diversen Schwindelarten finden Sie zum Beispiel bei Therapie-Schwindel.de.

Lese-Tipps zu Ursachen, Diagnostik und klinischen Untersuchungen bei Schwindel

Dr. med. Christina Rückert, Schlaganfallbegleitung.de, hat das Thema im Artikel “Schwindel – Ursachen, Formen, Behandlung und Prognose” umfassend behandelt. Ausgehend von Definitionen von Schwindel, wird seine Entstehung erklärt und nach verschiedenen Schwindelformen unterschieden. Zudem wird näher auf den Aufbau des Innenohres, Warnsignale, Diagnostik, Therapie, Schwindel nach Schlaganfall und die Prognose eingegangen. Eine fundierte Informationsquelle für Betroffene und Fachpersonen.

Die Deutsche Hirnstiftung bietet ebenfalls einen umfassenden Artikel inklusive Video über “Schwindel – Wenn das Gleichgewicht verrückt spielt”. Hier finden Sie die wesentlichen Informationen kompakt im Überblick, angefangen von der Symptomeinordnung mit Hilfe von Checklisten zur Selbsteinschätzung, über die Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten bis hin zu Neuigkeiten aus der Forschung und Praxis.

Prof. Dr. med. Klaus Jahn, Schön Klinik Bad Aibling, beschäftigt sich im Schwerpunkt mit Schwindel und Gleichgewichtsstörungen in der Neurorehabilitation, die häufig durch Läsionen der peripheren und zentralen sensorischen Strukturen verursacht werden, insbesondere im vestibulären Bereich. Ebenso werden internistische Begleiterkrankungen und psychosomatische Beschwerden ätiologisch einbezogen. Betont wird die Bedeutung der korrekten Diagnosestellung durch gezielte Fragen und Untersuchungen.
(Jahn K. Schwindel und Gleichgewichtsstörungen in der Neurorehabilitation. neuroreha 2016; 8: 153–157)

Zentral ist vestibuläres Training und Selbstmanagement im Umgang mit dem Schwindel

Ein gezieltes Schwindel-Training integriert eine spezielle Gang- und Standschulung. Ziel ist, die Funktionen und Reflexe im Gleichgewichtssystem zu verbessern, welche die Haltung und Koordination regulieren. Die abgestimmte Zusammenarbeit zwischen den Gleichgewichtsorganen, der visuellen Kontrolle durch die Augen und der zu aktivierenden Muskeln zum Halten des Gleichgewichts wird unterstützt.

Das Schwindel-Training erfolgt im Verlauf idealerweise unter alltagsbezogenen Bedingungen und nach und nach erhöhtem Schwierigkeitsgrad. Das heißt, zunächst finden Übungen auf ebenem Boden und unter gewohnten, ruhigen Umgebungsbedingungen statt. Später ist eine Steigerung außerhalb der geschützten Therapieräume, auf unebenen Untergründen, im Freien und mit Ablenkung möglich.

Durch kontinuierliches Üben, Trainieren und Feedback unter therapeutischer Begleitung verbessern die Betroffenen ihre Gleichgewichts- und Koordinationsfähigkeiten. Das Erlernen von Bewältigungsstrategien im Umgang mit dem Schwindel ist ebenso wichtig, um Unsicherheiten, Ängste, Stress und Belastungen zu regulieren. Dadurch sind auch erwartete und tatsächliche Risiken von Schwindelzuständen zu verringern.

Aufklärung über Notfall-Maßnahmen, das Sprechen über subjektive Auswirkungen des Schwindels und Handlungsoptionen tragen dazu bei, Wissen und Sicherheit zu vermitteln. Das Handeln kann zusätzlich praxisnah simuliert und kontextbezogen in verschiedenen Situationen trainiert werden. Somit werden neben spezifischen Problemlösungs- und Kompensationsstrategien auch allgemeine Selbststeuerungs-Fähigkeiten und Gesundheitskompetenzen im präventiven Management der Krankheitsfolgen gefördert.

Gute, strukturierte Therapiekonzepte und Rehabilitationsprogramme setzen sich dabei aus körperlich aktiven Anteilen und psychoedukativen Elementen zusammen. Entscheidend ist regelmäßiges Training und ein in Eigenregie fortgeführtes Hausübungs-Programm. Wirksamkeit kommt mit dem Alltagstransfer.

Lebensstil-Veränderungen und soziale Unterstützung als ergänzende Maßnahmen

Ein nachhaltig gesundheitsförderlicher Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährungsweise, ausreichend erholsamen Schlaf und Balance im Stresserleben ist wichtig für das Wohlbefinden. Diese Aspekte bilden mit der persönlichen Sinnbedeutung und empfundenen Selbstwirksamkeit eine wichtige Basis der subjektiven Lebensqualität. Dabei spielt neben der Überzeugung auch die rückgemeldete Fähigkeit eine Rolle, wie gut jemand mit schwierigen Situationen umgehen kann. Die innere Widerstandskraft (Resilienz) ist als gesundheitsbezogener Schutz- und Förderfaktor stärkend im Umgang mit Schwindel-Belastungen.

Über Resilienz-Fähigkeiten verfügt jeder Mensch, mehr oder weniger ausgeprägt. Sie können darüber hinaus ausgebaut, neu erlernt und trainiert werden, um das eigene Repertoire in der Bewältigung von Herausforderungen auszubauen. Selbst-, Mitgefühl und soziale Unterstützung sind wesentliche positive Verstärker. Jeder Mensch ist auf kontaktvolle Beziehungen angewiesen, erst recht mit Beeinträchtigungen.

Wenn ein gutes Verständnis für die Schwindel-Attacken im privaten und beruflichen Umfeld vorhanden ist, können die unvorhergesehenen Situationen weniger beängstigend sein. In solchen Momenten fühlen sich viele Betroffene unsicher, hilflos und verletzlich. Für sie ist es oft schwer, ihre Not auszudrücken und sich mit den passenden Worten mitzuteilen. Dies kann wiederum durch den Austausch von Wissen und Erfahrungswerten mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen oder Online-Foren erleichtert werden.

Es liegt auf der Hand: Mit dem, was man versteht und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten kontrollieren kann, lässt es sich leichter umgehen. Wie ist es bei Ihnen: Haben Sie Erfahrung mit hilfreichen Strategien?

Wie lange hält der Schwindel nach einem Schlaganfall an?

Die Frage „Geht der Schwindel irgendwann wieder weg?“ wird mindestens so häufig gestellt wie die Frage danach, woher der Schwindel kommt. Eine Prognose ist leider nicht hinreichend zuverlässig abzugeben, wenn der Schwindel nicht gerade auf eine konkrete Ursache zurückzuführen ist. Im einfachsten Fall lässt sich das auslösende Problem auf bestimmte Weise behandeln und damit aus der Welt schaffen.

So idealtypisch läuft es in der Medizin allerdings eher selten. Jeder Schlaganfall ist auch wirklich einzigartig und jeder Mensch reagiert anders. Als Daumenregel kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung mitgeben: Die Schwindelzustände bilden sich in den meisten Fällen innerhalb der ersten zwei bis drei Jahre nach dem Schlaganfall zurück oder sie werden weniger. Bei anderen hält der Schwindel auch nach dieser Zeit an.

Strategien im Umgang mit anhaltendem Schwindel

Wie gelingt es, mit anhaltendem Schwindel umzugehen, ohne daran zu verzweifeln? Es ist nachvollziehbar enorm belastend, wenn ausgeprägte Schwindelgefühle den Alltag stark beeinträchtigen. Wenn Betroffene von ärztlicher Seite nicht die helfenden Antworten erhalten oder wahrnehmen, kann dies die Verzweiflung verstärken. Jedoch gibt es nicht die eine medizinische Lösung für alle Fälle. Es erfordert eher gemeinsame Erkundungsversuche, da jeder Fall einzigartig ist. Generelle Ratschläge und Tipps sind oft nicht passend.

Sie können entscheiden, welche der genannten Maßnahmen Sie ausprobieren oder empfehlen möchten und weiterhin anwenden wollen, sofern es verträglich ist. Bedenken Sie, dass Maßnahmen Zeit benötigen und Gewöhnungseffekte “umprogrammiert” werden müssen, je nachdem, wie lange der Schwindel schon besteht. Trotz der knappen Gesprächszeit in Sprechstunden ist es zugunsten der Wirksamkeit ratsam, eine Strategie zur Umsetzung zu entwickeln und diese auch in Grundzügen verschriftlicht mitzugeben.

Im ärztlichen Gespräch können zumindest ein übergeordnetes Ziel und Optionen besprochen und eine Wahl aus konkreten Maßnahmen getroffen werden, die über einen bestimmten Zeitraum im Verlauf zu beurteilen und neu zu bewerten sind. In interdisziplinären Settings und mehrwöchigen Programmen ist das sicher leichter umsetzbar. Hier bestehen auch Bedarfe und Chancen kooperativer Zusammenarbeit.

Betroffenen ist anzuraten: Bereiten Sie sich sorgfältig auf das ärztliche Erst- und Verlaufsgespräch vor. Das erhöht die Chance, neue Erkenntnisse zu gewinnen und hilfreiche Auskünfte zu erhalten. Vertrauen Sie darauf, dass es für die behandelnden Ärzte auch angenehmer ist, wenn sie Ihnen helfen können.

Systematisches Vorgehen und Gesprächsvorbereitung

Zunächst ist es wichtig, dass Sie sich selbst bewusst und klar darüber sind, wie sich der Schwindel äußert, wann er auftritt, was ihn verstärkt oder wodurch es besser wird. Dokumentieren Sie das ruhig mal über einen längeren Zeitraum. Schauen Sie mit etwas emotionalem Abstand oder gemeinsam mit einer Person Ihres Vertrauens, ob Sie darin Muster erkennen. Notieren Sie Ihre Gedanken, Sätze oder einzelne Wörter.

Ich möchte ermutigen, gerade bei solchen belastenden und wenig greifbaren Symptomen, die schwierig zu kommunizieren sind, systematisch vorzugehen. Das heißt, einen Schritt nach dem anderen tun und sich unterwegs eine Struktur aufbauen, wie einen Trampelpfad. Sie können meine Strukturierungshilfe im nächsten Abschnitt für die Vorbereitung auf das Arztgespräch verwenden und für sich selbst anpassen.

Manche Symptome können Sie in der Ausprägung positiv beeinflussen, indem sie durch Ihr Beschreiben eingrenzen, auch wenn sie dadurch nicht verschwinden. Achten Sie auf Ihre Wahrnehmung, sprechen Sie aus und beschreiben Sie möglichst konkret, was Sie empfinden. Lassen Sie sich ggf. sprachtherapeutisch und durch logopädische Behandlung oder durch Hilfsmittel zur unterstützten Kommunikation helfen.

Betrachten Sie auch potenziell belastende oder auslösende Faktoren, an die man nicht gleich denkt, wie unbewusste Einflüsse durch Veränderungen im Umfeld, Beziehungskonflikte oder Bemühungen um Lebensstil-Anpassungen. Wie das oben erwähnte Beispiel mit der kochsalzarmen Diät, die (zu) strikt durchgeführt wird und Schwindel durch einen Natriummangel begünstigen kann. So etwas fällt eher auf, wenn Sie eine Zeit ein Tagebuch führen oder Ihren Tagesablauf in einer Gesundheits-App dokumentieren.

Systemisches Verständnis und verstehendes Beschreiben

Um ursächliche Zusammenhänge bei Schwindel zu erkennen, ist nicht nur Fachwissen über Krankheiten nötig, sondern auch ein systemisches Verständnis. In der Medizin müssen wir besonders bei Symptomen, deren Ursprung nicht sofort klar ist, auf wechselseitige Wirkzusammenhänge achten. Anders ist es bei akuten Schmerzen offensichtlich, dass und wo das Bein verletzt ist. Bei Schwindel ist es wichtig, nicht nur die Symptome, sondern auch Umstände, Situationen und Bedingungen näher zu erfragen, unter denen er möglicherweise auftritt. Durch detailliertere Beschreibungen kann ein besseres Verständnis entstehen.

Betroffenen stehen durch die organischen oder psychosozialen und psychosomatischen Schlaganfallfolgen häufig weniger Ressourcen als vorher zur Verfügung. Ressourcen, die unter anderem nötig sind, um komplexe Informationen zusammenhängend zu verarbeiten, ihre Gefühle zu regulieren und Impulse in herausfordernden Situationen zu kontrollieren. Daher ist (wiederholte) Aufklärung, Anleitung, Ermutigung und Begleitung im Prozess der Bewusstseins- und Verständnisbildung wesentlich.

Sie werden feststellen, dass ein tieferes Verständnis Ihrer Beschwerden dabei hilft, diese im Kontext der krankheitsbedingten Veränderungen einzuordnen und zu verstehen. Auch wenn man die genaue Ursache nicht kennt. Bei belastenden Symptomen ist es wichtig, selbstunterstützende Strategien zu entwickeln. Dieses verstehende Beschreiben, wie sich etwas äußert und auswirkt, gehört dazu. Meditation, Yoga, Entspannungstechniken, Achtsamkeitsübungen usw. können zusätzlich helfen, sich mental zu stärken.

Das Ziel kann dann sein, mit Ressourcen-stärkender Unterstützung auf längere Zeiträume hinzuarbeiten, in denen sie sich mit Beeinträchtigungen durch den Schwindel im Alltag weniger eingeschränkt fühlen. Es geht auch darum, Fähigkeiten zur Selbststeuerung durch regelmäßiges Training auszubauen, um sich sicherer und selbstwirksam zu fühlen und die Lebensqualität trotz Schwindel-Attacken zu verbessern.

Reflexion und Veränderung

In der Praxis zeigt sich, dass Menschen mit langwierigen Funktionseinschränkungen durch Schwindel und Gleichgewichtsstörungen von therapeutischen und systemischen Interventionen profitieren. Ich habe den Eindruck, dass eine Kombination aus therapeutischen und unterstützenden beratenden Maßnahmen, die auf den Alltag und die Arbeit ausgerichtet sind, besonders wirkungsvoll ist. Hier schätze ich Ergotherapie, die auf Betätigung abzielt, um aktiv am Leben teilzunehmen und herauszufinden, was möglich ist.

In persönlichen Gesprächen, sowohl individuell als auch mit Therapeuten, werden spezifische Situationen und Lebensumstände, die Auswirkungen der Krankheitsfolgen sowie unvorhergesehener Ereignisse auf Aktivitäten und sozialen Rollen im Leben betrachtet. Es wird Raum geschaffen, um darüber zu sprechen, was belastet und was gut tut. Es geht um die Unterstützung in der Auseinandersetzung mit Emotionen, Trauer, Sorgen, Ängsten und Bedürfnissen, aber auch Gewohnheiten, Denkmustern, Verhaltensweisen und Fähigkeiten, um neue Perspektiven zu entwickeln. Mit Blick auf den eigenen Handlungsspielraum.

Veränderung folgt der bewussten Aufmerksamkeit. Reflexion kann helfen, sich selbst zu befähigen, sich an Situationen anzupassen und individuell passfähige Lösungen zu finden. Der reflektierende Weg ist nicht einfach und nach einem Schlaganfall mit großen Herausforderungen verbunden. Doch es wird sich langfristig auswirken, durch eine Veränderung von Einstellungen, Überzeugungen und des Umfeldes.

Es ist auch wichtig für die psychische Verarbeitung und positive gesundheitsförderliche Veränderungen, zu verstehen, dass das Leistungsvermögen nach einem Schlaganfall nicht mehr das vorherige ist. Es wird wahrscheinlich so sein, dass bestimmte Betätigungen und Tätigkeiten nicht mehr oder dafür angepasst möglich sind. Manches kann anders gemacht werden, manches muss verlernt oder neu erlernt werden.

Akzeptanz und Selbstfürsorge

Eine der schwierigsten Aufgaben besteht für Betroffene, Angehörige und Fachpersonen darin, veränderte Belastungsgrenzen wahrzunehmen, anzunehmen und zu akzeptieren, was ist. Dafür braucht es Einsicht, dass es notwendig ist, im Alltag angemessen auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Und “Erlaubnis”, sich um sich selbst zu kümmern, ohne sich zusätzlichen Druck zu machen oder von außen auszuüben.

Bei anhaltendem Schwindel sind ein Bewusstsein und Kompetenzen für sowohl stabilisierende als auch aktivierende, betätigungsorientierte Maßnahmen zur Selbstfürsorge, Bewältigung (Coping) und Ermöglichung von Teilhabe unerlässlich und wichtiger als die Verbesserung von Funktionen. Dafür kann auch auch psychotherapeutische Begleitung sinnvoll und medizinisch indiziert sein. Gleiches gilt für ergotherapeutische und soziale Beratungen, zum Beispiel zu Alltags- und Haushaltshilfen, Hilfsmitteln und Anpassungen im Lebensumfeld.

Wenn die eigenen Bemühungen nicht weiterführen, ist es ratsam, fachärztliche und/oder therapeutische und soziale Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Scheuen Sie bei starkem Leidensdruck nicht davor, frühzeitig professionelle Hilfe zu suchen. Ziehen Sie überbrückend oder ergänzend auch anderweitige Hilfen wie Gesundheitsberatung, Genesungsbegleitung, Health Counseling oder Coaching in Betracht.

Tipps zur Vorbereitung auf das ärztliche Gespräch

Zusammengefasst kann Schwindel, der Monate nach einem Schlaganfall auftritt, viele Ursachen haben und durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Zu beachten ist, dass der Schwindel auch bei einem naheliegenden, zeitlichen Zusammenhang nicht unbedingt Folge des abgelaufenen Schlaganfalls sein muss. Um der Herkunft und geeigneten Diagnostik- und Behandlungsmaßnahmen auf den Grund zu gehen, ist es hilfreich, den Schwindel genauer zu beschreiben. Und dann geht die “Detektivarbeit” los.

So können Sie selbst mehr herausfinden und es systematisch dokumentieren:

  1. Tagebuch über den Schwindel führen:
    Dokumentieren Sie über einen längeren Zeitraum, mindestens zwei Wochen täglich, …
    • wie sich der Schwindel äußert. Ist es ein Drehschwindel, Schwankschwindel, Liftschwindel oder eine Form von diffusem Schwindel, Schwarzwerden vor den Augen oder ein Gefühl von Benommenheit?
    • wann der Schwindel auftritt. Tritt er z. B. verstärkt bei körperlicher Anstrengung auf oder wenn Sie unter Stress sind? Ist es mit geöffneten Augen schlimmer / Nimmt er bei geschlossenen Augen zu?
    • wie lange der Schwindel anhält. Dokumentieren Sie die Dauer des Schwindels, auch wenn er sich nur vorübergehend mit kurzzeitigen Episoden bemerkbar macht. Dadurch können möglicherweise charakteristische Muster erkannt werden, die bei der Abklärung helfen.
  2. Auf Begleitsymptome achten:
    Nehmen Sie zusätzlich Beschwerden wie Sehstörungen, Doppelbilder, nicht erklärliche Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Sprach- oder Sprechstörungen, Hörprobleme oder Ohrgeräusche wahr? Hatten Sie in Verbindung mit dem Schwindel schon einmal das Gefühl, dass Ihr Herz unregelmäßig schlägt oder stolpert? Lernen Sie, neben Ihren Blutdruckwerten auch Ihren Puls zu messen, um eventuelle Herzrhythmusstörungen wahrzunehmen (mit den Fingern, Smartwatch oder Handy-App).
  3. Begleiterkrankungen und Medikamente einstellen:
    Halten Sie im Tagebuch auch fest, ob Sie bereits vor dem Schlaganfall Erkrankungen und Risikofaktoren hatten oder neue entwickelt haben, die auch für die Nachsorge und Sekundärprävention nach einem Schlaganfall relevant sind (z. B. Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Diabetes mellitus). Liegen Erkrankungen vor, die außer einem Schlaganfall zu Schwindel führen können (z. B. Multiple Sklerose, Parkinson, Krebserkrankung mit Chemotherapie)? Notieren Sie zudem die Namen aller Medikamente, pflanzlichen Präparate und Nahrungsergänzungsmittel, die Sie derzeit einnehmen. Schwindel kann auch durch Interaktionen verschiedener Substanzen zustande kommen. Informieren Sie sich über mögliche Wechselwirkungen, z. B. hier online im Wechselwirkungs-Check der Apotheken-Umschau
  4. Laborwerte kontrollieren:
    Schauen Sie nach, wann die letzte Labor-Kontrolle oder Nachsorge-Untersuchung stattgefunden hat. Zeigten sich möglicherweise geringe Abweichungen, die noch mal überprüft werden sollten (z. B. Blutzucker, Natriumspiegel oder Vitamin B12)? Fragen Sie nach, ob und welche weitere Kontrolle jetzt notwendig ist oder sinnvoll wäre.

Nehmen Sie diese Aufzeichnungen mit zur Sprechstunde und besprechen Sie Ihre Beobachtungen mit Ihrer Ärztin oder Ihrem behandelnden Arzt. Fragen Sie nach dem Vorgehen, um Ursachen des Schwindels abzuklären und geeignete Maßnahmen zur Behandlung zu ergreifen und was Sie selbst tun können.

Sie mögen es lieber digital? Führen Sie ein interaktives Tagebuch mit Gesundheitsakte

Digitale Anwendungen können Menschen mit komplexen und chronischen Erkrankungen begleitend zur persönlichen Betreuung sehr gut im Selbstmanagement unterstützen und ihnen mehr Unabhängigkeit und Einflussmöglichkeiten verschaffen – und dadurch auch ein stärkeres Sicherheitsgefühl im Alltag vermitteln. Eine dieser Anwendungen ist VidaGesund, ein interaktives Tagebuch mit Gesundheitsakte.

Hinter dieser Cloud-basierten Gesundheitsakte mit App und Bluetooth steht der Anspruch, das Gesundheitsmanagement mit chronischen Erkrankungen und nach Akutereignissen zu erleichtern. Der Fokus liegt auf digitaler Prävention und Therapiebegleitung. Die App kann an wichtige Termine erinnern, Vitalparameter aus Messgeräten auslesen und automatisch Gesundheitstagebücher erstellen. Sie kann praktisch und zeitsparend bei Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- und Lungenerkrankungen unterstützen und dabei helfen, Lebensstil-Veränderungen nachhaltig umzusetzen.

Weitere Ressourcen der Schlaganfallbegleitung

Wenn Sie den Originalbeitrag im digitalen Schlaganfall-Forum lesen und mitdiskutieren möchten, finden Sie ihn hier: “Warum kommt der Schwindel erst 2 Monate nach Schlaganfall?”.

Und noch einmal empfehle ich den weiterführenden Artikel zum Schwindel nach Schlaganfall.

Sie sind im Gesundheitswesen, in einer Reha-Klink oder im Unternehmen im Betrieblichen Gesundheits- und Eingliederungsmanagement tätig? Dann könnte es für Sie interessant sein, regelmäßig exklusive Inhalte einschließlich Zugriff auf Online-Kurse zu erhalten. Dies ist durch eine Fördermitgliedschaft bei der Schlaganfallbegleitung möglich, durch die Sie die gemeinnützige Arbeit unterstützen und dafür von allen Vorteilen durch bestehende und neue Angebote profitieren können.

Mehr Artikel zum Schlaganfall auf meinem Blog

Rezidiv-Risiko nach Schlaganfall senken: Wie Prävention vor dem zweiten schützt

Lebenserwartung und Lebensqualität nach einem Schlaganfall

Fachartikel-Übersicht: Rehabilitation und beruflicher Wiedereinstieg nach Schlaganfall

Weitere Schwerpunkt-Themen und Beiträge

Diesen Beitrag teilen ... 1000 Dank!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert